Zu Beginn einer UL Ausbildung erscheint ein Flug zu den ostfriesischen Inseln als ein Traum, den man sich irgendwann einmal erfüllen möchte. Wie viel Erfahrung braucht man, wann ist der richtige Zeitpunkt, um ein solches Projekt zu wagen? Gut gemeinte, durch Erfahrung geprägte Antworten darauf erhält man sicherlich viele, entscheiden und fliegen muss der Pilot jedoch selbst.
Nach etwa 20 Stunden „Freifliegen“, zahlreichen Internetrecherchen – ich weiß nicht, wie oft ich mir den Anflug auf Juist auf You Tube angeschaut habe — und eingehendem Studium der notwendigen ICAO-Karten (Frankfurt, Hannover und Hamburg) erfüllte ich mir diesen Traum gemeinsam mit meiner Frau. Der 13. August bot uns ein traumhaftes Flugwetter, das durch ein ausgeprägtes Hoch in Deutschlands Mitte neben einer guten Sicht zwischen 20 und 30 km auch noch einen günstigen Rückenwind von 10 Knoten in Flightlevel 55 und 75 bescherte. Die stabile Schichtung sollte bis zum Abend anhalten, so dass ein Rückflug am selben Tag nicht gefährdet sein sollte. Die D‑MMZB war für einen Strandtag gepackt, voll getankt und gecheckt, es konnte losgehen.
Unsere Reiseroute von Mainz über Siegen, Dortmund, Münster, Osnabrück, Wittmund, Norden-Norddeich
Mainz Info verabschiedete uns auf der 08 um 0830 mit einem merklich neidischen Unterton. Mit Steuerkurs 357° und Flugfläche 75 ging es vorbei an Siegen, entlang des gestaffelten Luftraums C von Köln/ Bonn über das Rothaargebirge nach Attendorn-Finnentrop, vorbei und über den Luftraum D von Dortmund und Münster/ Osnabrück. Zum ersten Mal verließen wir Langen Information und ließen uns ebenso professionell und auf friesisch freundliche Art von Bremen Information in den Norden begleiten. Im Bereich des Mittellandkanals entschieden wir uns aufgrund der Zunahme einer diesigen Luftschicht und den damit verbundenen Rückgang der Sichtflugbedingungen für einen kleinen Descent auf Flugfläche 55.
Eine sich verdichtende Dunstglocke zwang uns zum Abstieg auf Flugfläche 55.
Weiter ging es mit direktem Steuerkurs nach Juist über einige Flugbeschränkungsgebiete, deren Status zum einen über NOTAM veröffentlicht waren, zum anderen dankenswerter Weise durch im FIS Gebiet Bremen befindliche Fliegerkameraden erfragt wurden. Demnach gab es keinerlei Irritationen, alles verlief nach Plan bis auf einen letzten Frequenzwechsel.
Vorbeiflug an Emden (rechts im Bild) und Kwelderland (Holland, links oben im Bild)
Nachdem wir in Höhe des Küstenkanals auf die „Nordfrequenz“ von Bremen weitergeleitet worden waren, gab es kurz vor Emden einen letzten Frequenzwechsel, der so nicht geplant war: „Bitte rufen Sie Wittmund TCA auf der 123,6.“ TCA? Wer oder was ist das? Wir befanden uns weder im Luftraum D (XH) von Wittmundhafen noch war diese ominöse Frequenz in der Karte eingetragen. Ich las dennoch die Anweisung zurück und rief in die „123,6“ hinein. Im Headset erklang völlig selbstverständlich eine junge Männerstimme. Nach meiner schulmäßigen Ansage unseres Vorhabens, der Position, Flughöhe und der Bitte um Verkehrsinformation – was Besseres fiel mir in diesem Moment nicht ein – erhielten wir unsere Transpondereinstellung und tatsächlich noch kurz vor Schluss eine wichtige Verkehrsmeldung über eine kreuzende zweimotorige P68 unmittelbar unter uns. Wie sich in meinen Nacharbeiten herausstellte, bedeutet TCA „Tower Control Area“ (Flughafenkontrollzone), was mir als Neuling der allgemeinen Luftfahrt nicht bekannt war. Wittmundhafen mit seinem östlich unserer Route befindlichen Luftraum D (XH) ist ein militärischer Stützpunkt der deutschen Luftwaffe, und die nicht in der Karte beschriebene Frequenz 123,6 ist eine der Frequenzen, die „Wittmund RADAR“ zugeordnet ist. Auch wenn man nicht direkt die besagte Kontrollzone bis 2500 Ft durchqueren möchte, empfiehlt es sich bei Vorbei- oder Überflügen Wittmund seine Absichten mitzuteilen. Eurofighter legen nach dem Abheben schon mal einen Senkrechtstart innerhalb der Kontrollzone hin, der in Sekunden die Zonengrenze überschreitet und für allgemeine Luftfahrer das entspannte Urlaubsfliegen zum Alptraum werden lassen könnte.
Wir erreichen die Nordseeküste bei Norden-Norddeich.
Nach 2 Stunden 17 erreichten wir die ersehnte Nordseeküste. Vorbei an Norden-Norddeich trieb uns ein ordentlicher Ostwind mit 110 Knoten zwischen den Inseln Norderney und Juist hindurch in den Gegenanflug der Piste 08.
Gegenanflug Piste 08 auf Juist.
Der Windcheck beschwerte uns einen letzten Adrenalinkick: Ganze 24 Knoten auf der Bahn aus 070°. Mit einer gefühlten Schrittgeschwindigkeit bei der Landung setzten wir wohlbehalten und sanft auf der Bahn auf, merklich erleichtert, dass alles so prima geklappt hat.
Endanflug Piste 08 auf Juist.
Den Tag verbrachten wir mit windigen Spaziergängen auf einem schier endlosen Sandstrand auf der Nordseite der Insel. Für eine Tagestour ist diese Insel eigentlich zu schade, denn sie bietet sicherlich viele weitere wunderbare Urlaubseindrücke.
Impressionen am Juister Nordstrand
In Anbetracht des Windes, der sich nicht abzuschwächen schien, traten wir 1530 die Rückreise an. Mit einem kurzen Tankstopp in Leer – eine Zwischenlandung, die mit der ZB wohl schon mehr als einmal gemacht wurde, da wir wie alte Bekannte vom Controller begrüßt wurden – verlief der Rückflug ohne Probleme.
An dieser Stelle möchte ich mich bei meinen Ausbildern Bernd Saile und Stefan Wendt herzlich bedanken, ohne deren intensive Schulung ein solches Vorhaben nicht möglich gewesen wäre. Juist sollte sicherlich nicht der erste Freiflug nach Lizenzerwerb sein, zumal starke Winde auf den ostfriesischen Inseln an der Tagesordnung sind, aber nach etwas Training vor allem im Umgang mit dem UL bei stärkeren Winden, ist das gut machbar. Juist war für uns ein besonderes, spannendes und lehrreiches Erlebnis, das wir in ähnlicher Form sicherlich bald fortsetzen werden.
Text und Bilder: Prof. Dr. Thomas Wolf