Das Angenehme mit dem sehr Angenehmen verbinden – unter dieses Motto könnte man einen „Taxiflug“ per Ultraleicht (UL) am zweiten Maiwochenende 2014 von Mainz nach Pirna, wenige Kilometer südöstlich von Dresden, stellen.
Eine Person an den Rand des Elbsandstein-Gebirges bringen – das war die Aufgabe – die sich prächtig mit viel Sightseeing auf herrliche Landschaften, etwas Kultur und Genuss verbinden ließ. Klar, der Weg ist zurückzulegen, aber – zumindest pflege ich das so beim UL-Fliegen – ist der Weg immer zumindest ein Teil des Ziels. Das Transportmittel, unser wackere FK9 namens D‑MMZA, hatte also nicht nur die 424 Kilometer direkte Strecke plus etwa 10 Kilometer nach Norden um den Luftraum „Charlie“ von Frankfurt herum (gesamt etwa 235 NM) sowie den Rückflug vor sich, sondern auch ein paar dem optischen Genuss geschuldete Kilometerchen.
Zur ersten Landung erwartete uns der Dolmar, ein UL-Gelände einige Kilometer westlich Suhl. In privater Initiative ist hier ein heimeliger Flugplatz entstanden mit völlig unkomplizierten Leuten, 3 Euro Landegebühr und einer Kneipe nur wenige Meter neben den Landereitern. Wirklich zu empfehlen für einen Zwischenstopp, um Kaffee nachzuladen oder selbigen zu entsorgen. Aber Achtung: Die Grasbahn ist zwar sehr gepflegt und mit 400 Meter auch ausreichend lang, aber mit einer Steigung versehen, und kurz dahinter erhebt sich ein Hügel.
Die Flugplatzkneipe steht auf dem Dolmar direkt neben der Bahn. Hier werden auch die Landegebühren entrichtet.
Hinter der gepflegten Piste erhebt sich ein Hügel, Starts und Landungen sind deshalb zumeist gegenläufig.
Typischerweise wird hier deshalb entgegen der Landerichtung (meist 04) gestartet (also 22). Trotzdem ist der Platz nicht problematisch, zumal die freundlichen Ortsansässigen offensichtlich den Funk gut in Griff haben und auf Fremde „aufpassen“. Ein Blick auf die Homepage www.flugschule-dolmar.de kann trotzdem nicht schaden, hier gibt es auch ein nicht-offizielles Anflugblatt zur Orientierung. Der Flugplatz liegt mitten in einer herrlichen Landschaft, an diesem Wochenende ansprechend garniert mit tiefgrünen Wäldern, kleinteiligen Wiesen und krachendgelben Rapsfeldern.
Schön anzuschauen: Der Übergang in den Thüringer Wald am 17. Mai 2014.
Mit leichtem Rückenwind geht es von der Bahn und dann zügig rechts rum, um dem anfliegenden Verkehr Platz zu machen.
Der Weiterflug mit einer zügigen Rechtskurve nach dem Start um die Flugplatzkneipe führt über der lockeren Bewölkung in rund 5500 Fuß (1700 Meter) Richtung Pirna bei Dresden, quer über den Thüringer Wald, südlich an Jena und Gera und schließlich am nördlichen Stadtrand von Chemnitz vorbei. Was sind wir froh, dass die Stadt nicht mehr Karl-Marx-Stadt heißt, sonst wäre der Flug nicht möglich gewesen und hätte spätestens knapp hinter der Wasserkuppe geendet.
Bei lockerer Bewölkung und guter Sicht geht es in rund 4500 Fuß an Gera in Thüringen vorbei.
15 Meilen vor Dresden gibt es die ersten Schauern, die Wolkenbasis sinkt drastisch ab.
Kurz vor Dresden ereilt uns die eigentlich für einen späteren Zeitpunkt gemeldete massive Schauertätigkeit im südöstlichen Zipfel Sachsens: Innerhalb weniger Minuten sinken Wolkenuntergrenze und Sicht auf marginale Werte, die Windräder ragen ziemlich hoch, ein Umfliegen ist, da auch der Zielflugplatz Pirna den Betrieb eingestellt hat, nicht möglich. Also Zwischenparken am Flugplatz Langhennersdorf einige Kilometer westlich Dresdens– der Name ist sperriger als die Benutzer. Nach ungefähr 45 Minuten prasselndem Regen auf dem Hallendach, freundlichen Erklärungen von Vereinsmitgliedern zum hier untergebrachten Flugzeugpark und dem direkt vor der Halle abgestellten „Verkehrsflieger“ des MDR sowie einem Blick auf das Wetter-Radar geht es eine Stunde später auf die letzte kurze Etappe, die wenigen Kilometer Richtung Pirna.
Bei klarer Sicht lockt natürlich ein Blick von oben auf die reichhaltigen Kulturschätze Dresdens, an denen die Route vorbei führt. Eine Anfrage zum Einflug in die Kontrollzone Dresdens zwecks Fotoflug entlang der Elbe über das Stadtzentrum beantwortet der außerordentlich freundliche Lotse auf dem Tower mit einem Willkommen und einer Freigabe für die gewünschte Höhe und die avisierten Kurse. Der Blick von oben auf die Dresdener Altstadt, auf den Markt und in den Innenhof des Zwingers, ist phantastisch. Wie das „von unten“ aussieht, werden wir am Folgetag ergründen.
Die „tiefenentspannten“ Controller auf dem Dresdener Turm ermöglichen eine problemlose Stadtbesichtigung der anderen Art. Am linken Bildrand etwa in halber Höhe der Zwinger, die Frauenkirche oben rechts in der Altstadt.
Der Zwinger ist ein imposanter Bau, die Semperoper schließt sich mit den markanten grünen Dächern dahinter an.
Einige Minuten später rumpeln die Räder unseres UL über die Grasbahn in Pirna, der Flieger wird entladen und verzurrt. Das Taxi, bestellt von einem freundlichen Eingeborenen, ist schnell vor Ort und bringt uns für rund 15 Euronen zum Hotel in Pirna. Die Stadt ist klein, macht aber mit der sehenswerten Altstadt einen sehr gemütlichen Eindruck. Einzig die Pegelmarken der Rekord-Hochwasser der Elbe aus den Jahren 2002 und 2013, die einige Häuser bis in den zweiten Stock überfluteten, lassen uns schaudern. An diesem Wochenende wurde extra für uns der „Markt der Kulturen“ auf dem Marktplatz veranstaltet. Kulinarisches aus einer Vielzahl von Nationen (Rheinland-Pfalz haben wir allerdings ebenso wenig gefunden wie Rheinhessen) und einige wirklich gute Musikgruppen lockten zum Verweilen vor historischen Fassaden – und ortstypischen Getränken.
In ein trauriges Kapitel aus der Geschichte begibt man sich, wenn man zur hoch über die Stadt aufragende Festung Sonnenschein spaziert: Hier ermordeten Nazis fast 15.000 Menschen, zumeist Kranke, und bereiteten den Holocaust technisch vor. Heute beherbergt die alte Bastion neben dem Landratsamt unter anderem eine Gedenkstätte. Die überwiegend schön restaurierte Anlage bietet einen herrlichen Blick über die Stadt.
Pirna – ein gemütliches Städtchen mit schön sanierten Häusern verschiedener Epochen – lädt zum Bummeln ein.
Lohn nach harter Arbeit der Stadtbesichtigung, genossen am Marktplatz.
Gut 20 Minuten dauert am nächsten Morgen die Bahnfahrt von Pirna nach Dresden, und noch einmal 15 gemütliche Minuten durch die Fußgängerzone „Prager Straße“ braucht es bis in die Altstadt. Für Architekten, solche die es werden wollen und andere Fassadeninteressierte sind auf dem Weg einige spezielle DDR-Bauten zu besichtigen, zum Beispiel das nach Auskunft eines Einheimischen vermutlich längste noch genutzte Wohnhaus Deutschlands. Aber man muss ja nicht alles an Dresden schön finden. Da gefallen eher die ebenfalls exklusiv für die Mainzer UL-Besatzung organisierten internationalen „Jazztage” mit einer Unzahl von Gruppen, die kostenfrei in der Innenstadt aufspielten.
Und wenn wir schon bei der Kultur sind: Die Elbterassen sind auch bei Nicht-Biergarten-Wetter einen Besuch wert, ebenso wie Semperoper (warum steht das Semper-Denkmal auf den Brühlschen Terrassen an der Festung statt an der Semper Oper?) oder eben der schon oben erwähnte Zwinger. Oder das „Coselpalais“: Direkt an der Frauenkirche gelegen, überzeugt das Cafe mit einer enormen Auswahl an Torten in Top-Qualität zu akzeptablen Preisen und ebenso angenehmer wie fixer Bedienung. Da fiel unser Interesse am Besuch der Frauenkirche angesichts der langen Schlange wartender internationaler Besucherschaft eher mäßig aus. Darauf einen zweiten Milchkaffee!
Die eine oder andere Hinterlassenschaft der Kulturschaffenden des Arbeiter- und Bauernparadieses ist nicht zu übersehen.
Die geflügelten Figuren auf der Festung an den Elbterassen fallen eindeutig nicht in die UL-Klasse.
Die Frauenkirche ist auch bei durchwachsenem Wetter von einer langen Menschenschlange belagert.
Das Coselpalais ist sicher eine der empfehlenswerten Adressen, um Energie in leckerer Form aufzunehmen.
Blick von der Balustrade des topsanierten Zwingers in Richtung Semperoper.
Die deutsch-sowjetische Freundschaft hat sich als weniger stabil erwiesen als die entsprechenden Denkmäler, während…
… die Integration anderer Kulturen wenige Schritte vom Bahnhof Pirna ganz offensichtlich nahtlos gelingt – und sich im „Schnitzel Döner“ materialisiert.
Wetterwende. Der Rückflug am Montag findet unter besten Bedingungen statt. Ein Zwischenstopp am Flugplatz „Burg Feuerstein“ südlich Bamberg zum Spritfassen – außerdem habe ich mich mit dem Leiter der dortigen Flugschule verabredet – ist entsprechend entspannt. Reger Segelflugbetrieb ist hier im Gange, Schüler und Leistungsflieger sind unterwegs und sorgen für emsige Betriebsamkeit in der Luft und am Boden. Schorle und Kaffee in der frisch renovierten Flugplatzgaststätte mit schöner Terrasse sind kostengünstig, die Lage des Flugplatzes mitten im Nichts ist von oben betrachtet ausgesprochen nett.
Der geplante Weiterflug zur Wasserkuppe, der mit rund 950 Metern höchsten Erhebung in der Rhön und einem der ältesten Flugplätze in Deutschland, muss aufgrund der fortgeschrittenen Tageszeit entfallen. Stattdessen geht es via Würzburg nach Darmstadt und von dort gen Heimat nach Mainz, wo die Reise kurz nach 19.00 Uhr endet. Flugzeug ausladen und waschen, den Papierkram erledigen, ein wenig mit Vereinskollegen schwätzen – der Tag und die Reise ganz tief in den Osten Deutschlands sind zu Ende. Wie bei den meisten längeren Flügen mischen sich die Impressionen von Landschaften, Menschen und der Technik des UL-Fliegens zu einem unvergleichlichen Mix. Und der Reisespaß war wieder einmal – bei ähnlichen Kosten – ungleich höher als bei einer Autofahrt.
Unsere D‑MMZA bietet ebenso wie die beiden weiteren ULs des gleichen Baumusters viel Reisespaß und ermöglichen Landungen auch auf kleineren Flugplätzen.
Text und Bilder: Meinolf Droege