Für dieses Frühjahr hatten sich die Mainzer Piloten Andreas Kroemer und Armin Hanus wieder einmal die Schwarzmeerküste, diesmal jedoch in Bulgarien, als Ziel ausgesucht.
Unter dem Motto: Gut geplant ist halb geflogen, wurden alle wichtigen Kapitel der AIPs sowie die Streckenkarten studiert. Immerhin waren im Plan A vier Länder und im Plan B sechs Länder im Spiel.
Die Planung der ca. 3800 km langen Strecke (Hin-und Rückweg) wurde in mehrere Abschnitte aufgeteilt. Wegen der Ein- und Ausreisebestimmungen in verschiedenen Nicht-Schengen Ländern waren wir auf internationale Flughäfen angewiesen. Dort steht die Abfertigung von Kleinflugzeuge eher nicht auf der Prioritätenliste. Deshalb war es besonders wichtig, die Verfügbarkeit von geeignetem Kraftstoff an diesen Flughäfen im Vorfeld zu klären (mehrere Kanister von der nächsten Autotankstelle durch die Sicherheitskontrollen an einem internationalen Flughafen zu schmuggeln – schon der Gedanke ist ziemlich schräg). Ausserdem galt es, die NOTAMS für die Routen sorgfältig zu studieren. Eine gründliche Recherche im Vorfeld half uns, unliebsame Überraschungen auf der Strecke auszuschließen. Trotzdem gab es dann doch ein paar unerwartete Ereignisse an zwei Flugplätzen, mit denen wir nicht gerechnet hatten – dazu kommen wir noch später.
Hier die Übersicht der geplanten Streckenabschnitte:
EDFZ Mainz > EDMV Vilshofen > LOAN Wiener Neustadt > LDOS Osijek-Klisa > LBSF Sofia-International > LBPR Primorsko > LBSF Sofia-International > LDOS Osijek-Klisa > LOAN Wiener-Neustadt > EDMV Vilshofen > EDFZ Mainz
Da sich in den Langzeitwetterberichten einige ausgedehnte Tiefdruckgebiete in den Bereich unserer Flugstrecken ankündigten, waren wir darauf vorbereitet, unsere Routen der aktuellen Wetterentwicklung anzupassen. Um es vorweg zu nehmen: Von den ursprünglich 10 geplanten Abschnitten sind wir nur einen einzigen Abschnitt nach unserer ursprünglichen Planung geflogen. Der Rest der Strecke wurde von der jeweiligen Wetterlage bestimmt.
Abschnitt 1: Mainz > Vilshofen > Schärding (ca. 430 km / 2:20h)
Der erste Teilabschnitt sollte eigentlich von Mainz nach Vilshofen führen. Wir kamen aber etwas besser voran, als ursprünglich gedacht, so dass wir statt in Vilshofen bis nach Schärding (LOLS) in Österreich weitergeflogen sind. Dort konnten wir das vom 912S bevorzugte MOGAS tanken und nach einer kurzen Pause mit erneuter Wettererkundung waren wir wieder abflugbereit.
Abschnitt 2: Schärding > Wiener-Neustadt > Heviz-Balaton (ca. 350 km / 2:05h)
Nachdem wir bis hier gut in unserer Zeitplanung lagen, haben wir die erste Änderung vorgenommen. Statt Wiener-Neustadt (LOAN) sollte unser nächstes Ziel Heviz-Balaton (LHSM) werden. Dies erforderte die Aufgabe eines Flugplans mit erneutem Check der aktuellen NOTAMS. An dieser Stelle kamen unsere Flugplanungsprogramme ins Spiel. Wir waren mit zwei „Obst-Tablets“, sowohl mit Jepp Flight Deck VFR als auch mit SkyDemon, ausgestattet. Mit vorhandener Internet-Verbindung sind Umplanungen ein Kinderspiel: Was Jeppesen nicht kennt, weiß SkyDemon (und manchmal auch umgekehrt). Bordseitig stand noch eine VOR-Anlage und ein GARMIN Aera zur Verfügung, so dass wir navigatorisch bestens gerüstet und mehrfach abgesichert waren. Ungarn – wir kommen.
Den Luftraum von Wien umflogen wir auf der südwestlichen Seite und ließen Wiener-Neustadt dann links liegen. Über dem Wienerwald wurde es allerdings sehr ruppig und die Wolkendecke kam den Bergen recht nah. Mit ein paar kleineren Kurskorrekturen waren wir in der Lage die Bergwelt zu durchfliegen und am dem Grenzüberflug meldeten wir uns bei Budapest Information. Ab jetzt war der Flugfunk in englischer Sprache durchzuführen. Kein Problem auf unserer weiteren Route – alle FIS‑, Approach‑, Tower‑, Ground‑, Departure- und Radar-Mitarbeiter agierten professionell und waren gut zu verstehen.
Im flachen ungarischen Land war die Luft wieder ruhiger und es dauerte nicht mehr lange, bis unser Ziel in Sicht kam.
Heviz-Balaton ist zwar ein internationaler Flugplatz, hat aber sehr wenig Betrieb und ist somit leicht anzufliegen. Nach der Landung kam auch gleich der Tankwagen, wir erhielten Betonklötze zum Verzurren des Fliegers und ein Taxi war schnell bestellt. Andreas kannte noch von einem früheren Aufenthalt ein Hotel (Parizsi Udvar) direkt neben dem imposanten Schloss von Keszthely.
Nach einem Spaziergang durch das fein herausgeputzte Städtchen sowie einer „Teilumrundung“ des Sees ging es zum Abendessen in einem der zahlreichen Restaurants.
Abschnitt 3: Heviz-Balaton > Osijek-Klisa (ca. 200 km / 1:05h)
Gut ausgeschlafen und nach einem kräftigen ungarischen Frühstück bereiteten wir alles für die nächsten zwei Tagesetappen vor. Wegen der schwer durchschaubaren Wetterlage holten wir eine ausführliche telefonische Wetterberatung bei den Flugwetterexperten für die nächsten Tage ein. Die Wetterinformationen für die gesamte Strecke waren ausreichend bis gut und für den Rückweg schien es mehrere Alternativen zu geben. Das allerdings mit den üblichen Vorbehalten. Wer kann schon bei solch wechselhaften Wetterlagen über mehrere Tage sichere Prognosen abgeben? Nach Abwägung aller pro’s und con’s entschlossen wir uns zum Weiterflug bis nach Bulgarien mit der Option, unsere Planung kontinuierlich der sich jeweils entwickelnden Wettersituation anzupassen.
Die Aufgabe des nächsten Flugplans und das Einholen der neusten NOTAMs für die Strecke war – dank der modernen Technik ein Kinderspiel — dem Flug in Richtung Dalmatien stand nichts mehr im Wege. Bei guten CAVOK-Bedingungen war der Flug über Kaposvar, Pecs und den Grenzübergangspunkt BAREB keine Hexerei. Danach ein kurzes Stück auf der kroatischen VFR Route PANON5 und von dort über B1, C1, D1 bis zum Anflug und der Landung auf der Runway 29 in Osijek-Klisa.
Mit Aproach und Tower lief alles perfekt. Mit der Betankung mussten wir allerdings etwas warten, da das Operations Personal mit der Abfertigung eines kleinen Turboprop-Verkehrsfliegers beschäftigt war. Während Andreas sich um die Betankung kümmerte, holte ich das weitere Streckenwetter ein. Die MET-Expertin vor Ort war extrem hilfsbereit und spulte das volle Programm ab. Ergebnis: Alles gut auf der Strecke und erst am späten Nachmittag 35% Wahrscheinlichkeit von CBs in Sofia. Da sich das erst 2 Stunden nach unserer geplanten Landezeit entwickeln sollte, war unser Flug sicher durchführbar und wir gaben einen entsprechenden Flugplan auf. Dies war relativ einfach, da wir für diesen Streckenabschnitt unsere schon zu Hause detailliert vorbereitete Flugroutenplanung nutzen konnten (LDOS-TADAM-RUMAK-SUBOT-OBR-PANOL-TPL-JAGOD-CICEV-RUTEV-LUZAN-BEPAL-PIROT-NISVA-ABKOX-BAPTI-DIPRU-ELGIL-GIMEG-LBSF).
Jetzt stand nur noch die Bezahlung der Lande- und Handling-Gebühren an. Hier gab es eine heftige Überraschung: Der Handling-Agent erklärte mir, dass wir ausserhalb der Betriebszeiten gelandet wären und verlangte hierfür stolze 210€. Dieser Version habe ich heftigst widersprochen. Ich zeigte ihm das aktuelle NOTAM mit den Betriebszeiten Beginn: 9:45 UTC. Wir sind aber erst 10 Minuten nach dem Beginn des Betriebs um 9:55UTC gelandet. Nun behauptete er, das NOTAM wäre nur für ATC und nicht für Operations von Bedeutung. Seine Arbeitszeit beginnt erst um 10:00 UTC, also 5 Minuten nach unserer Landezeit. Nun zeigte ich auf das kleine Verkehrsflugzeug, welches gerade zum Abflugpunkt rollte und bemerkte, dass dieser Flieger planmässig vor uns abgefertigt wurde und sich das Handling Personal erst ab 10:15 UTC um uns gekümmert hat. Es könne also, so oder so, keine „besondere Handling-Gebühr“ für uns anfallen. Nach einigem „hin und her“ der Argumente lenkte er ein und berechnete den Normaltarif von 16€, plus die Landegebühr von 9,20€. Sein Ratschlag: Wer in Osijek-Klisa landen will, sollte sich vorher bei Operations telefonisch melden (Tel: +385(0)31–514-451). Diesen Rat gebe ich hiermit weiter — ob es hilft?
Abschnitt 4: Osijek-Klisa > Sofia-International (ca. 520 km / 3:00h)
Die geplante Flugzeit von Osijek nach Sofia betrug 3:15h. Somit waren wir, was die Reichweite unseres Fliegers betrifft, auf der sicheren Seite. Der Streckenverlauf führte zuerst nach Serbien über den Grenzübergangspunkt TADAM, von dort über OBR südlich an Belgrad vorbei. Alle militärischen Lufträume auf der Strecke waren entweder nicht aktiv oder uns wurde der Durchflug ohne Probleme genehmigt. Nächster Punkt war dann das VOR TPL Tapola und von dort nördlich am Flugplatz Nis vorbei weiter nach Südosten. Hier galt es bereits die Berge zu beachten welche sich links und rechts der Strecke auf bis zu 6600ft aufbauten. Nach ca. 15 Minuten erreichten wir den Grenzübergangspunkt NISVA und wechselten von Nis Approach zu Sofia Approach. Von dort wurden wir entsprechend unseres Flugplans nach ABKOX geschickt, gefolgt von der Frage: „Are you familiar with the VFR Route 425?“ Das konnten wir guten Gewissens mit „positive“ beantworten und so gab es die Freigabe bis nach GIMEG in 500ft AGL. Kurz vor GIMEG erfolgte dann der Frequenzwechsel zu Sofia Tower. Der schickte und „due to traffic“in ein ca, 10 minütiges „holding north of GIMEG“. So konnten wir beobachten wie sich die CBs vor dem schneebedeckten Witoscha-Hochgebirge südlich von Sofia aufbauten. Nach jeder Holding Runde erschienen uns die Wolkenberge mächtiger. Dann kam die erlösende Freigabe zum Einflug in den rechten Gegenanflug 27 und die Freigabe zur Landung erfolgte schon im Queranflug. Die Landung auf der 3600m langen Piste war ein Kinderspiel.
Danach abrollen über „C“ verbunden mit der Frage „are you familiar with the airport layout?“. Unsere Antwort kam wohl etwas zögerlich und somit bekamen wir über Funk präzise Rollanweisungen bis zu unserem Parkplatz GA NE#38. Geschafft! Vor dem herannahenden Wetter sicher in Sofia-International angekommen. Macht man ja als Dompteur von 100 Pferden nicht alle Tage. Auf der Ground Frequenz meldete sich niemand, dafür kam aber unser freundlicher Handling Agent Ruslan Dobraliev von SA Sofia Airport Service mit seinem roten Fiat Kombi herangebraust.
Ruslan organisierte den Tankwagen und Gewichte zum Sichern des Fliegers sowie unseren Transport zum Terminal. Nach Vorzeigen der AOPA Card wurde es noch besser: Sonderkonditionen beim Handling (18€), Landung (8€) und Parken (4€/Tag). Im Gegensatz hierzu die recht hohen Spritpreise (3€/ltr).
Der umsichtige Handling Agent gab uns noch seine Tel. Nr. für die Unterstützung beim Handling am nächsten Tag — was sich noch als wichtig erweisen sollte.
Über eines der Booking-Portale war schnell ein passendes Hotel in der Innenstadt gefunden und ein TAXI war auch sofort verfügbar. Wir waren noch keine 5 Minuten in Richtung Stadt unterwegs, als sich die CB-Schleusen öffneten und ein kräftiger Schauer über Sofia niederging. Als wir am Hotel ankamen war der Spuk auch schon wieder vorbei und unserer Stadterkundung stand nichts im Wege.
Die Stadt Sofia
Sofia blickt auf eine mehr als 5000 Jahre alte wechselvolle Geschichte zurück und ist einer der ältesten Siedlungsplätze Europas. Wegen des knappen Zeitrahmens mussten wir uns auf wenige Highlights beschränken. Nachdem wir auf früheren Reisen schon in Santiago de Compostela und Lourdes die dort wichtigsten Kirchen besucht haben, war es für uns klar, dass wir hier die Alexander-Newski-Kathedrale des bulgarischen Patriarchen besuchen müssen. Die Kathedrale ist eine aktive Kirche eines der Wahrzeichen der bulgarischen Hauptstadt. Sie wurde von dem russischen Architekten Alexander Pomeranzew im neo-byzantinischen Stil entworfen und ist dem russischen Nationalheiligen Alexander Newski geweiht. Wir hatten das Glück die Zeremonie des Gründonnerstags-Gottesdienstes zumindest teilweise mitzuerleben, da hier das Osterfest eine Woche später als bei uns gefeiert wird.
Ebenfalls eindrucksvoll ist das Parlamentsgebäude, in dem die Nationalversammlung tagt. Es wurde zwischen 1884 und 1886 nach dem Entwurf des Architekten Konstantin Jovanovic im Stil der Neo-Renaissance gebaut und ist heute ein Kulturdenkmal.
Das nächste Ziel war der Witoscha-Boulevard mit unzähligen Restaurants, so dass uns die Auswahl schwer fiel. Wir hatten zwar eine Empfehlung mit einer schemenhaften Wegbeschreibung, aber die kyrillischen Schriftzüge der Schilder machten uns das Leben schwer. Ich glaube, dass wir letztlich das richtige Restaurant (Schtastlivetsa) gefunden haben — jedenfalls gab es landestypische Gerichte in ausgezeichneter Qualität — eine klare Empfehlung. Weiterhin kann ich das Rosslyn-Tracia Hotel empfehlen. Für ca. 60€ (incl. Frühstück) ein schönes und ruhiges Zimmer inmitten der Stadt – was will man mehr?
Abschnitt 5 — Der Plan: Sofia-International > Primorsko (ca. 390 km / 2:15h)
Sofia hatten wir also sicher erreicht. Nun galt es eine wichtige Entscheidung zu treffen: Den ursprünglichen Plan, also zum Schwarzen Meer zu fliegen (mit dem Risiko auf dem Rückweg vor dem prognostizierten Frontensystem mit eingelagerten Gewittern irgendwo im Balkan für unbestimmte Zeit hängenzubleiben) oder einen geordneten Rückzug über Belgrad und Wiener-Neustadt anzutreten. Auch ein Flug von Primorsko an der Schwarzmeerküste entlang nach Konstanza/Rumänien wurde erwogen, aber die Wetteraussichten von dort in Richtung Westen waren ebenfalls durch das nahende, sehr weit ausgedehnte, Frontensystem wenig erfolgversprechend. Schlussendlich entschieden wir uns für eine Planänderung und gaben einen entsprechenden Flugplan nach Belgrad auf.
Abschnitt 5 – Der neue Plan: Sofia-International > Belgrad Nikola Tesla (ca. 390 km / 2:15h)
Da wir schon nach der Landung getankt hatten, gab es außer der Bezahlung und Vorflugkontrolle am Flugplatz wenig zu tun. Mit Vorlauf von 1 Stunde zu unserem Flugplan kamen wir am Terminal an und riefen, wie verabredet, unseren Handling Agenten an. Ruslan schickte uns eine Mitarbeiterin, die uns durch das Terminal geleiten sollte. Bis hierhin — alles OK. Nun kam der vorgelagerte Sicherheits- und Bordkartencheck. Die Dame wollte unsere Bordkarten sehen – alternativ eine offizielle ID-Card unserer Airline. Unsere Situation, dass wir als Privatpiloten mit einem privaten Fluggerät hier sind, kam in ihren Dienstvorschriften nicht vor. AOPA-Card, Fluglizenz, Flugplan, GA-Deklaration und die Beteuerungen unserer Bergleiterin in serbischer Sprache halfen nicht. Also wurde der Sicherheitschef und der Chef vom Handling gerufen. Nach einiger Zeit trafen die Herren mit ernsten Gesichtern ein und diskutierten den Fall ausgiebig. Am Ende wurden wir als „sicher“ eingestuft und der Handling Mitarbeiter geleitete uns zur GA Pilot Lounge. Er fluchte ausgiebig über das seltsame Verhalten des Sicherheitspersonals, während wir einige Formulare unterschreiben durften und unsere Rechnung beglichen. Dank der unerwarteten Verzögerung mussten wir auch noch unseren Flugplan ändern. Am Computer unseres Handling Agents gaben wir noch die obligatorischen Grenzkontroll-Voranmeldung für Wiener Neustadt auf. Dann ging es endlich zum Flieger. Nach sorgfältiger Inspektion des Flugerätes stand dem Start von unserer Seite nichts mehr im Wege. Zwischen Anlassen und TAXI-Freigabe vergingen nochmals 10 Minuten, dann rollten wir zwischen den Verkehrsfliegern über C und H zum Intersection-Rollhalteort D. Dies ersparte uns fast 2 km Rollweg. Line-Up und Startfreigabe erfolgten zügig und schon wir waren auf dem Weg nach Serbien.
Frei nach Karl May sind wir „über die Schluchten des Balkan“ geflogen. Die Sicht war nicht gerade wie im Bilderbuch, aber man kann erahnen, was Kara Ben Nemsi dort so alles erlebt haben soll.
Wir befanden und jedoch unter der Obhut von Sofia Approach und waren somit sicher vor den Schergen des Schut . Dessen Nachkommen sind der Sage nach immer noch vom Geist des Mübarek verzaubert und die Teufelsschlucht soll ihnen als letzter Rückzugsort dienen. Soweit die phantastischen Geschichten und deren freie Fortsetzung.
Nach dem Grenzübergang wechselten wir zu Nis Approach und unsere weitere Route sollte in 4000ft in einigem Abstand nördlich an Nis vorbei führen, wäre da nicht der übervorsichtige Approach Mitarbeiter von Nis im Dienst gewesen. Dieser leitete uns um 90 Grad vom Kurs in einen Holding Bereich über NIBAN in der Nähe seines Flugplatzes — ohne einen für uns ersichtlichen Grund. Nun passierte folgendes: Der gute Mann gab einem Airbus an seinem Flugplatz die Anlassfreigabe, später die TAXI-Anweisungen und danach die Startfreigabe. Erst eine Weile nach dem Start dieses einzigen Fliegers weit und breit holte er uns aus dem Holding und gab uns für die nächsten Abschnitte unserer geplanten Strecke frei.
Was lernten wir: Der Mann hatte gleichzeitig mehrere Funktionen: Ground, Tower und Approach. Durch diese Mehrfachbelastung war wohl unser kleiner Flieger neben dem Airbus einer zu viel im Luftraum. Mit genügend Sprit im Tank war das alles kein Problem, wenn da nicht der ärgerliche und unnötige Zeitverlust gewesen wäre. Nach dieser Episode ging es zurück auf unseren geplanten Kurs und über CICEV und JAGOD erreichten wir das NDB OBR in der Nähe des Kraftwerks an der Donau und wurden von Belgrad Approach an den Tower übergeben.
Nach dem Einflug in die Kontrollzone wurden wir über SIERRA in den rechten Gegenanflug 12 geschickt und kurz danach in eine ausreichend große Lücke zwischen die Airliner zur Landung auf der 12 eingefädelt. Nach dem Abrollen erschien auch gleich ein Follow-Me-Fahrzeug und wir wurden am Hauptterminal vorbei zu einem freien Platz geleitet. Auch hier bewährte sich unsere Arbeitsteilung; einer von uns kümmerte sich um den Sprit, der andere um die Administration mit dem Handling Agenten.
Die Kosten in Belgrad waren sehr GA-freundlich: 100LL 1,21€/ltr, Landing Fee 3,00€, Infrastructure Fee 8,00€, Handling Fee 19,00€. Landezeit 13:39loc, Startzeit 14:36loc.
Vielen Dank für die freundliche, korrekte und zügige Abwicklung durch alle Beteiligte. APPROACH, TOWER, GROUND, FOLLOW-ME, Tankwart und Handling Agent — alles perfekt.
Abschnitt 6: Belgrad Nikola Tesla > Wiener Neustadt (ca. 500 km / 2:30h)
Nach dem Start auf der 12 ging es über SIERRA und OBR auf Kurs in Richtung Ungarn. Die Grenze passierten wir bei BABIT und von dort ging es weiter zum Balaton.
Wie angekündigt wurde das Wetter nach und nach weniger freundlich. Insgesamt war der Flug durch Ungarn mit Kurs 300° und ca. 250 km Streckenlänge eine kleine Geduldsprobe, da der Wind zunahm und die Landschaft, ausser dem Balaton, keine besondere Abwechslung bot. Die Grenze zu Österreich passierten wir schliesslich bei STEIN. Von hier sind es noch ca. 50km bis nach Wiener Neustadt und es galt sich mit dem etwas umständlichen Anflug aus Richtung Süden kommend über die Platzrunde A auf die Piste 09 vorzubereiten. Obwohl jeder von uns schon mehrfach in Wiener Neustadt war, ist es trotzdem sinnvoll, sich rechtzeitig das jeweilige Verfahren genau anzusehen, um Probleme zu vermeiden. Diesmal war die Landung wegen des böigen und verwirbelten Seitenwinds eine besondere Herausforderung. Nach der Landung war auch schon die freundliche Grenzpolizei zur Stelle um einen kurzen Blick in unsere Ausweise zu werfen und sich nach dem Zweck unserer Reise zu erkundigen. Wir wurden als unverdächtig eingestuft und durften den Flieger in Richtung Tankstelle weiter bewegen.
Eigentlich war für diese Nacht ein Strandhotel an der bulgarischen Schwarzmeerküste vorgesehen, aber der Wettergott wollte es anders. So wurde die Pension Steinfeld, direkt am Flugplatz von Wiener-Neustadt gelegen, unser heutiges Quartier. Empfehlung: Das „Hollers Steakhouse“, direkt neben der Pension gelegen, bietet eine abwechslungsreiche Karte, inclusive exotischer Gerichte. Den „Bunten Insektensalat“ mit frittierten Heuschrecken, Grillen und Mehlwürmern an bunten Blattsalaten haben allerdings nicht probiert.
Abschnitt 7: Wiener Neustadt > Schärding (ca. 230 km / 1:55h)
Schon vor dem Frühstück wurde das Wetter erkundet. Wo ist die Front und kommen wir weiter in Richtung Westen? Wie weit können wir fliegen? Gibt es Alternativen – falls ja, welche? Die Lage war nicht eindeutig, so dass wir beschlossen, erst einmal in Ruhe unser Frühstück zu geniessen und danach den Weiterflug vorsichtig anzugehen. Da auf der Strecke in Richtung Mainz etliche Flugplätze vorhanden sind, starteten wir ohne ein festgelegtes Ziel. Der Plan war einfach: So lange das Wetter fliegbar und genügend Treibstoff an Bord ist, bleiben wir in der Luft und versuchen, von Flugplatz zu Flugplatz, so weit wie möglich in Richtung Heimat zu kommen. Das funktionierte dann auch in der Praxis recht gut – südlich an Linz vorbei bis kurz vor die deutsche Grenze am Inn. Hier wurde die Lage schwierig, so dass wir uns zur Landung in Schärding entschlossen.
Nach dem Mittagessen im empfehlenswerten Flugplatzlokal erkundeten wir zusammen mit der sehr professionellen Flugleiterin die Wetterlage in Richtung Mainz. Wegen des fragwürdigen Wetters auf der weiteren Stecke erschien uns ein Weiterflug am gleichen Tag nicht mehr sinnvoll. Was nun folgte war ein perfektes Beispiel für die Hilfsbereitschaft unter Fliegerkameraden/innen. Die freundliche Flugleiterin gab uns Hotelempfehlungen, erledigte die Reservierung und organisierte auch noch die Fahrt mit ihrem Privatwagen zum Hotel Biedermeier Hof. Toller Service und Herzlichen Dank!
Nun blieb uns der Rest des Nachmittags und der Abend um das kleine, aber feine Städtchen zu erkunden. Ein Highlight ist die, schön gestaltete Orangerie, direkt an der alten Stadtmauer gelegene Orangerie. In dem schön gestalteten Gebäude befindet sich eine gepflegte Gastronomie. Kaum hatten wir uns es dort gemütlich gemacht, öffnete der Himmel seine Schleusen.
Zum Glück war der Regen diesmal nicht so heftig wie im Jahr 1954 als das Wasser bei einigen Häusern bis zum Dach stand.
Nach dem kräftigen Schauer und der damit verbundenen Abkühlung konnten wir unseren Erkundungsgang bei angenehmen Temperaturen fortsetzen. Es gab doch noch einiges zu sehen in dem kleinen Städtchen. Besonders schön ist die Silberzeile des Oberen Stadtplatzes, so benannt wegen der reichen Kaufleute, die einst hier ihren Sitz hatten. Die bunten Fassaden mit pastellfarbenen Farbtönen gehen auf die mittelalterlichen Zunftfarben zurück, wie z.B. Bäcker blau, Metzger rot, Gastwirte gelb oder grün. Also hielten wir besondere Ausschau nach den Farben gelb und grün, denn die Zeit zum Abendessen rückte näher.
Abschnitt 8: Schärding > Mainz (ca. 430 km / 2:30h)
Über Nacht hatte sich die Wetterlage soweit verbessert, dass wir die letzte Etappe unserer Reise angehen konnten. Ein zu früher Start war nicht sinnvoll, aber andererseits galt es den Wettlauf gegen das von Westen herannahende ausgedehnte Tiefdrucksystem zu gewinnen. Deshalb war es wichtig, das richtige Zeitfenster zu treffen. Wir genossen noch das Frühstücksbuffet im Biedermeier Hof und dann ging es mit dem Taxi zum Flugplatz. Dort noch ein Blick in die Wetterkarten, den Flieger beladen und überprüfen und wir konnten in Richtung Mainz starten. Nach dem Überquerung des Inn waren wir schon in Deutschland. Unsere Route hatten wir so geplant, dass wir immer einen geeigneten Flugplatz in der Nähe hatten — bei solchen Wetterlagen eine empfehlenswerte Strategie. Auf den folgendem Bild lässt sich gut erkennen wie labil die Wettersituation auf der Strecke war.
Über dem Odenwald entluden sich bereits die ersten Schauer, kein Problem, mit ein paar Kursänderungen waren diese gut zu umfliegen.
Kurz vor dem Einflug in die Mainzer Platzrunde wurde unser Flieger noch von einem kleinen Schauer gewaschen.
Nach 2:30 Stunden sind wir in Mainz sicher gelandet. Bei Temperaturen im einstelligen Bereich waren Pullover und Jacken angesagt.
Glücklich angekommen an unserer „Homebase“ EDFZ. Kurz nach unserer Landung kam dann der „grosse Regen“, der über einen längeren Zeitraum andauerte.
Abschnitt 9: EDFZ Hangar 3 – Flugplatzrestaurant Tower One (ca. 0,1km / 0:01h)
Hier konnten wir bei einem Kaffee folgende Bilanz für die gesamte Reise aufstellen: 5 Tage, 6 Länder, 8 Teilstrecken, etwas mehr als 3000 km Gesamtflugstrecke, 17:40 Stunden (Blockzeit), 334 Liter Sprit (=18,9 ltr/h), Spritkosten 640 € (Schnitt 1,92 €/ltr), 191 € Lande- und Handlinggebühren).
Hier noch das Bild der aktuell geflogenen Route EDFZ – LOLS – LHSM – LDOS – LBSF – LYBE – LOAN – LOLS – EDFZ
Fazit: Mit 100 PS Rotax-Pferden nach Bulgarien zu fliegen ist, bei etwas Flexibilität, gut machbar und auf jeden Fall ein besonderes Erlebnis.
Text: Armin Hanus Bilder: Andreas Kroemer / Armin Hanus