Wie schon in dem Reisebericht von 2015 festgestellt: Es gibt einige gute Gründe, zum Goodwood Revival zu fliegen: Das Flugerlebnis, die klassischen Autos, die Rennen, die historischen Flugzeuge und — nicht zu vergessen — die Leute.
Wenn man die begehrten Tickets in Händen hält (am besten schon im Vorjahr bestellen), ist die erste Hürde genommen. Wer spontan anreist, hat fast keine Chance, noch an Tickets zu kommen, es sei denn man will diese auf dem illegalen Schwarzmarkt von fragwürdigen Zeitgenossen zu horrenden Preisen erwerben.
Kapitel 1: Der Hinflug
Vor dem Vergnügen steht etwas Arbeit für die UL-Piloten an. Grundlage für den Flug nach GB mit einem deutschen UL ist eine Einfluggenehmigung der Civil Aviation Authority. Weiterhin sollte man im Vorfeld die Erledigung der Nicht-Schengen-Ein- und Ausreiseformalitäten klären. Das Zauberwort hierfür heißt GAR. Diese Genehmigung lässt sich aber bequem über das Internet bei GOV.UK beantragen.
Bei geschickter Flugplanung kann man die teilweise recht komplexe Luftraumstruktur in Belgien und Frankreich vermeiden. Hier die von uns gewählte Flugroute:
Der erste Teil der geplanten Strecke führt südlich am Flugplatz von Luxemburg vorbei nach Albert Bray (LFAQ). Dort planten wir einen kurzen Tankstopp und die Ausreise nach UK.
Danach Weiterflug zur Küste und die Kanalüberquerung nach Lydd. Von dort südlich von Gatwick über Shoreham bis zum Flugplatz Lee on Solent (EGHF). Soweit die Theorie.
Dann war auch noch das Thema Wetter. Dieses lässt sich leider nicht so leicht planen und so mancher Ausflug nach England musste schon dem Wettergott geopfert werden.
Deshalb gilt es, bei der An- und Abreise zeitlich etwas flexibel zu sein und immer einen Plan B für die Route im Gepäck zu haben. Nachdem wir in 2015 auf dem Rückflug eine schwierige Wetterlage mit einer ungeplanten Übernachtung in Amiens hatten, war diesmal die Wetterlage am geplanten Tag des Hinflugs fraglich. Wegen des voraussichtlichen Verlaufs der Front zogen wir den Termin für die Strecke von Mainz nach Albert um einen Tag vor, so dass am Aeropole de Picardie, so der neue Name des Airbus Flugplatzes, die Schlechtwetterfront über Nacht durchziehen konnte und wir am Folgetag den Weiterflug nach England durchführen konnten.
Nach der Landung in Albert stellten wir fest, dass auch andere Piloten mit dem Ziel Goodwood die gleiche Strategie gewählt hatten.
So ergab sich die Gelegenheit, deren klassische Flugzeuge in Ruhe zu besichtigen.
Die Piloten der Swift kamen aus Österreich, die Crews der Pilatus P2 und der T6 flogen aus der Schweiz ein.
Nach einem sehr einfachen Frühstück, der Erledigung der Ausreiseformalitäten und der Zollabfertigung durch ein Team von französischen Zollbeamten
galt es noch etwas zu warten, bis die tiefe Wolkendecke einen sicheren Abflug zuließ. Die Feuerwehr brachte noch ihre Fahrzeuge in Position und somit war die Sicherheit hergestellt.
Nach dem Ausflug aus der Kontrollzone von Albert erfolgte der Frequenzwechsel zu Lille Info und der Weiterflug über den Wolken in Richtung Küste bei Boulogne sur Mer.
Dort lagen dann 50 km Meer vor uns. Die obligatorischen Schwimmwesten hatten wir bereits vor dem Abflug in Albert angelegt.
Da wir wegen der fast geschlossenen Wolkendecke den FL85 gewählt hatten, galt es, die kurz vor dem Kanal auftauchenden Lücken zu nutzen und den Sinkflug einzuleiten,
denn die Londoner TMA GND-5500ft, welche schon vor der englischen Küste beginnt, lag vor uns.
Über dem Kanal lichteten sich die Wolken und die englische Küste kam in Sicht. Auch der Frequenzwechsel von Lille zu London Info „for basic service“ war nun fällig.
Nach wenigen Minuten Flugzeit über Wasser (die den Piloten immer länger vorkommen als über Land) hatten wir die Küste bei Lydd erreicht und nahmen Kurs in Richtung Westen.
Da wir auf der Londoner Info-Frequenz schon mitgehört hatten, dass wegen teilweise aufliegender Wolkendecke Flüge über Land schwierig sein würden, folgten wir der Küstenlinie in Richtung Westen über Wasser.
Diese Entscheidung erwies sich als goldrichtig, denn bald war die Wolkendecke so tief, dass die niedrigsten Wolkenfetzen die Steilküste berührten. Bei guten Sichten konnten wir unter Einhaltung der Mindesthöhen unseren Flug entlang der Küstenlinie fortsetzen.
Beim Vorbeiflug am VFR Meldepunkt Brighton Marina ist es deutlich zu sehen. Obwohl sich die Wolken auf die niedrige Hügellandschaft gelegt haben blieben die Sichten über Wasser gut und man konnte den Flug ohne Gefahr fortsetzen.
Kurz nach Brighton kommt der Flugplatz Shoreham, den wir neben Lydd als Alternate in unserem Flugplan vorgesehen hatten.
Ab hier stiegen die Wolkenuntergrenzen wieder an und die tiefe Bewölkung zog sich in das Landesinnere zurück.
Von Shoreham bis Portsmouth / Lee on Solent waren es nur noch ca. 40km und das Wetter wurde mit jedem km besser. Am Meldepunkt Spinnaker Tower lag die
Wolkenuntergrenze ca. 2500ft und die Sichten waren hervorragend. Dafür hatten wir jetzt einen heftigen Wind, der uns bei der Landung auf der Piste 23 ordentlich
beschäftigt hat (deshalb sind keine brauchbaren Anflugbilder vorhanden).
Nachdem wir unser Luftsportgerät gesichert und die Landeformalitäten erledigt hatten, gab es zur Eingewöhnung an die englische Küche erst einmal eine Kleinigkeit
im Flugplatzcafe zu essen.
Währenddessen konnten wir die Start‑, Lande- und Rollmanöver der zweisitzigen Spitfire beobachten die in Lee stationiert ist. Man darf hier für kleine 4‑stellige Beträge
Rundflüge buchen oder für solide 5‑stellige Beträge ein Type Rating erwerben. Danach kann man eine Spitfire für einen mittleren 4‑stelligen Betrag pro Stunde chartern.
In der Zwischenzeit brachte unser freundlicher Autovermieter „Fareham Self Drive“ unseren Leihwagen zum Flugplatz und so konnten wir alsbald die Fahrt
zu unserem Apartment im „Hereford House“ zu Portsmouth antreten.
Kapitel 2: Die Leute
Die besondere Goodwood Atmosphäre über Bilder einzufangen, ist schwierig. Hier trotzdem der Versuch, diese Stimmung mit ein paar Bildern von Teilnehmern des
Revival Meetings wiederzugeben.
Gleich am Anfang wir Frank von ein paar Damen in blau eingefangen. Champagnerstimmung ist angesagt.
Der, vermutlich selbsternannte, „Generalfeldmarschall“ schaut dem Treiben wohlwollend zu. Die Zahl der anwesenden Generäle und Offiziere war schwer zu schätzen.
Ein anderes Beispiel für die Zeittransformation waren die drei singenden „Charlalas“. Hier wurde die Musik der fünfziger Jahre wieder lebendig.
Etwas weiter schwingen die Freunde der 50er Jahre zur passenden Musik das Tanzbein. Man kann nur staunen, wie munter so manche „Oldtimer“ noch unterwegs sind.
Diese beiden Ladies lassen den Kleidungsstil der 60er Jahre perfekt aufleben.
Hier treffen mehrere Zeitabschnitte zusammen (leider ist dieses Bild durch eine Plastiktragetasche kontaminiert).
Mittlerweile wurde der Autor von den Stewardessen einer nicht identifizierbaren Airline eingefangen. Falls jemand die Airline kennt, bitte melden.
Friedrich „Frieder“ Diehl (2. von links) war standesgemäß mit seiner Klemm 35 aus dem Jahr 1941 im offenen Cockpit angereist. Respekt!
Kapitel 3: Die Flugzeuge
Die Klemm 35 von Frieder wurde 1941 in Böblingen für die schwedische Luftwaffe gebaut. Der Flieger befand sich längere Zeit in einem Museum, konnte aber dann wieder in einen
lufttüchtigen Zustand gebracht werden.
Noch älter als die Klemm ist die De Havilland „Gipsy Moth“, eines der Trainingsflugzeuge der Royal Air Force in den späten 20er Jahren.
Im Vergleich zur Gipsy Moth ist die auf Hochglanz gebrachte DC3 geradezu riesig. Die beiden kraftvollen 14-Zylinder Doppelsternmotore haben zusammen 2400PS.
Diese Bücker 133 „Jungmeister“ kommt mit einem Siemens-Halske 7‑Zylinder Sternmotor aus. Die Bü 133 ist eine Weiterentwicklung des Trainers Bü 131 „Jungmann“.
Kapitel 4: Die Autos
Man kann in Goodwood sehr viele Autos bestaunen, es stehen aber auch einige zum Verkauf. Eines davon ist hier im Bild zu sehen – ein wunderschöner kleiner MG Roadster.
Oder am anderen Ende der Größenskala – ein riesiger Chevrolet mit 8 Zylindern zu einem super niedrigen Lockpreis (war wohl nur als Anzahlung gemeint).
Ob es eventuell ein kleiner Renn-Mini mit schon passender Beschriftung für Frank werden soll ………
… oder ein filigraner Leichtbau Cooper-BMC T72 Formel Renner aus den 60ern für Armin (kommt der UL-Idee sehr nahe) …
… oder lieber ein klassischer Rolls-Royce für Ausfahrten bei schönem Sommerwetter (Sponsor gesucht) …
…… oder lieber ein getunter Ferrari für gelegentliche Rennerlebnisse (auch hierfür wird ein Sponsor gesucht).
Kapitel 5: Die Rennen
Der nächste Tag war in hauptsächlich den Rennen gewidmet. Nach einem exzellenten Frühstück an der lokalen Shell Tankstelle war die Stimmung gut und wir konnten unsere Privilegien, welche mit dem Erwerb der „Grand Stand Tickets“ verbunden waren, voll genießen. Sitzplätze mit Schatten waren bei strahlendem Sonnenschein ein nützlicher Komfort.
Da die Rennfahrer offensichtlich Einweiser brauchen, um ihre Startplätze zu finden, gibt es für die korrekte Aufstellung nette Mädels mit dezenten Hinweisschildern.
Nachdem alle ihren Platz in der Startaufstellung gefunden hatten konnte es dann losgehen …
… es gibt die Rennen in den unterschiedlichsten Kategorien und nicht immer garantieren viel Hubraum und viel PS den Rennsieg.
Die Fahrer schenken sich bei den Rennen nichts. Es geht zwar um einen Pokal von geringem Wert – aber für sie ist er von großer Bedeutung.
Finally — the winner takes it all (oder „man“ erweckt den Eindruck).
Kapitel 6: Portsmouth Marina
Den letzten Tag ließen wir in dem neuen Stadtviertel, Portsmouth Marina, ausklingen. Dort steht auch eine Sehenswürdigkeit, Spinnaker Tower,
der gleichzeitig als VFR Meldepunkt im Osten von Lee on Solent bekannt ist.
Unweit vom Spinnaker Tower ist das Old Customs House, in dem sich jetzt ein gutes Restaurant befindet.
Nach dem Abendessen konnten wir noch die Spiegelungen der Gebäude im Wasser und den Sonnenuntergang am Hafen bewundern.
Kapitel 7: Der Rückflug
Wie der Hinflug, wurde auch der Rückflug in 2 Etappen geplant. Die erste Etappe planten wir von Lee on Solent über Lydd nach LeTouquet (LFAT).
Die zweite Etappe sollte uns von LeTouquet direkt nach Mainz bringen. Da wir den Wind im Rücken hatten, konnten wir mit einer relativ kurzen Flugzeit von unter 3 Stunden rechnen.
Der Rückflug wurde von Frank als Captain durchgeführt. Der Copilot übernahm Funk, Navigation und Flugaufzeichnung
Nach dem Start ging es an Portsmouth vorbei in Richtung Lydd, um dort den Kanal in Richtung Le Touquet zu überqueren.
Bei Lydd waren die Sichten ideal, um den Kanal in ausreichender Höhe zu überfliegen. Bald tauchte auch die französische Küstenlinie auf und der Kontinent hatte uns wieder.
Zügig erfolgte die Freigabe zum Einflug in die Kontrollzone von LeTouquet, das sich mit dem neuen Zusatz „Cote d‘ Opale“ schmückt.
Nach dem Einflug in den rechten Gegenanflug erfolgte die Landefreigabe kurz danach für die Piste 31.
Nach Zollabfertigung, Aufgabe des Flugplans und Zahlung der moderaten Landegebühren ergänzten wir noch unseren Spritvorrat, um flexibel beim Rückflug zu sein.
Nun ging es auf die letzte Etappe – non stop nach Mainz. Da es Sonntag war, waren fast alle Militärischen Lufträume weit und breit deaktiviert und wir durften
den Flug entspannt angehen und die Landschaftsbilder unter uns ungestört genießen. Bei Luxemburg überflogen wir die Mosel und waren zurück in Deutschland.
Schon bald waren wir zurück in Mainz und zogen unser Fazit: Das Goodwood Revival Meeting ist ein „Muss“ für jeden Klassikfreund.
Text: Armin Hanus Bilder: Frank Huff / Armin Hanus